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Märkische Drahtzieher

4. Mai 2016 bis 31.10.2016

Das Thema des kommenden Kulturlandjahres lautet „Kulturgut Handwerk – Handwerk zwischen Tradition und Innovation“. Das Dommuseum beteiligt sich mit einer Ausstellung, die den Textilschatz in den Mittelpunkt rückt: Die Gewänder spiegeln nicht nur höchste künstlerische Fertigkeit der Weber und Bildsticker, sondern sind auch Zeugnisse weitgespannter bis in den fernen Osten reichender Handelsbeziehungen. Entsprechend kostbar waren die Gewänder und daher nur für die am meisten Betuchten erschwinglich. Es handelte sich um absolute Luxusprodukte, die man bewusst als Statussymbole und zur politischen Selbstinszenierung einsetzte.

Drahtzieher und Kaiser: Karl IV.

So sind die die frühesten Gewänder aus dem Brandenburg Domschatz zu deuten. Es handelt sich um zwei Gewänder aus dem späten 14. Jh., die mit Karl IV. (römisch-deutscher Kaiser, König von Böhmen und Markgraf von Brandenburg aus der Dynastie der Luxemburger) in Verbindung zu bringen sind. Sie tragen als schmückende Besätze fernöstliche und persische Luxusstoffe des 13. Jh. Mit solch reichen Stiftungen, zu denen auch der berühmte böhmische Altar im Dom gehört, dokumentierte Karl seine Stellung gegenüber der Kirche, die er gezielt zur Festigung seiner Macht in Brandenburg einsetzte.

Drahtzieher und Marionette

Noch mehr als die Luxemburger nutzten die Hohenzollern die Kirche als politisches Instrument: Kurfürst Friedrich II. (1440-1471) hatte von Papst Nikolaus V. im Jahre 1447 ein Bündel an Privilegien erwirkt. Darunter war das Vorschlagsrecht für die Bischöfe von Brandenburg. Es war zwar nur Friedrich II. auf Lebenszeit verliehen worden, doch beanspruchten es seine Nachfolger ebenso. So kam es 1472 zu der Farce um die Wahl Arnolds von Burgsdorf zum Bischof von Brandenburg (1472-1485). Das Domkapitel hatte ihn gewählt, ohne aber Rücksprache mit dem Kurfürsten zu halten. Albrecht Achilles (1471-1486) pochte auf das Nominationsrecht, drängte Arnold zum Rücktritt und erst als der Kurfürst ihn seinerseits vorgeschlagen hatte, konnte Arnold sein Amt antreten.

Beide Kontrahenten stifteten jeweils opulente Gewänder und ließen ihr Wappen aufbringen. Der Kurfürst spendete ein Gewand aus wertvollstem Brokatsamt, in dem massive Goldfäden verarbeitet sind. Der Bischof dagegen investierte in einen ganzen Ornat aus drei samtenen Gewändern. Die Stickerei auf der Kasel fällt besonders durch die verschwenderisch reiche Verwendung von Golddraht und goldenen Pailletten auf. Offenbar spielte auch hier die Prachtentfaltung die wichtigere Rolle als das durchdachte Bildprogramm.

Die Präsentation der beiden Gewänder in einander gegenüberstehenden Vitrinen vermittelt den Eindruck einer fast duellartigen Auseinandersetzung, die schließlich zugunsten des Kurfürsten ausging: Mit der Aufhebung der Ordensregel im Jahre 1506 wurde das Bistum aus dem Geflecht des Prämonstratenserordens herausgelöst, das über die Jahrhunderte den Bischof und sein Domkapitel vor dem Zugriff der Landesherren geschützt hatte. Wenig später der reduzierte der Kurfürst die Zahl der Domherren deutlich und verfügte, dass stets einer von ihnen bei Hofe zu dienen habe. So wurde die Kirche mehr und mehr zum Erfüllungsgehilfen der Landespolitik.

Werkstätten in Brandenburg

Unter der Herrschaft der Hohenzollern treten zunehmend Stickereien fränkischer und vor allem brandenburgischer Provenienz auf. Dies liegt zum einen daran, dass die neuen Kurfürsten Künstler aus ihrer fränkischen Heimat beauftragten. Zum anderen haben sich schon unter den Luxemburgern böhmische Stickereien in Brandenburg angesiedelt. Darunter hat man sich effizient arbeitende Betriebe vorzustellen, worauf Lochpausen hindeuten, die als Versteifung unter Stickereien entdeckt worden sind: Kleine, in Reihe gesetzte Nadellöcher ergeben die Konturen der Bilder. Legt man die Schablonen auf den Stoff und bestäubt sie mit Kohle, so bleibt auf dem Stoff die Kontur zurück, die als Vorlage für den Sticker dient. Die Schablonen waren auch siegelverkehrt und vor allem seriell zu verwenden. So ließen sich schnell und in großer Stückzahl Bildstickereien herstellen, die dann auf Gewänder oder Behänge aufgebracht werden konnten.

Reale Drahtzieher

Exkurs zur Drahtherstellung

Massives Edelmetall war ausgesprochen teuer und deshalb nur höchsten Kreisen zugänglich. So sparte man es ein, in dem man extrem dünne Streifen von Gold- oder Silberblech um einen Seidenfaden wickelte. Dieses so genannte Lahnmetall war deutlich billiger als massiver Draht, auch wenn der Aufwand der Herstellung sehr viel größer war. Noch aufwendiger in der Herstellung aber noch geringer im Materialwert war sog. Häutchengold: Auf Tierhaut brachte man das Metallblech auf und wickelte es dann um einen Seiden- oder Garnfaden. Diese aufwendige Herstellung lohnte sich, weil Arbeitskraft billig, Material aber teuer war.

Solche „low-budget-Varianten“ des Golddrahtes erfüllten ihre Aufgaben hervorragend und wirkten ebenso prächtig wie massiver Golddraht. Während im „Duell der Gewänder“ Kurfürst Albrecht Achilles ein Gewand mit massivem Golddraht einsetzte, vertraute der Bischof Arnold von Burgsdorf auf die einfacherer Variante. Dies spiegelte durchaus die ungleiche Verteilung der materiellen Möglichkeiten.

Drähte nachziehen

Das Ende der Ausstellung ist dem Bewahren dieser textilen Kunstwerke gewidmet: Die Textilrestaurierung bewahrt aber nicht nur die Zeugnisse mittelalterlichen Handwerks, sondern erbringt wertvolle Kenntnisse über die Landes- und Wirtschaftsgeschichte.

Pressestimmen:

Märkische Allgemeine Zeitung 26.01.2016

Märkische Allgemeine Zeitung 06.07.2016

Detail einer Stickerei Ende 15. Jh.
Siegel König Sigismund an einer Urkunde von 1415