Sus et iudaei – die antijudaistische Schmähplastik am Brandenburger Dom
Im Format einer Hybrid-Veranstaltung präsentierten das Domstift Brandenburg und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) am 25. Januar 2022 den derzeitigen Stand der Arbeiten zu der antijudaistischen Schmähplastik im unteren Kreuzgang der Ostklausur. Coronabedingt musste die Anzahl der Personen, die an der Veranstaltung in der Aula der ehemaligen Ritterakademie teilnehmen konnten, begrenzt werden. Alle anderen konnten sie über einen Livestream verfolgen; die Aufnahme kann auch weiterhin im Internet angesehen werden: Sus et iudaei – die antijudaistische Schmähplastik am Brandenburger Dom - YouTube . Die Kunsthistorikerin Theresa Jeroch hielt einen Vortrag über die Schmähplastik, die die älteste bekannte derartiger Darstellungen ist (sie wurde in der Zeit zwischen 1235 und 1250 geschaffen), im Kontext vergleichbarer Skulpturen sowie des Antisemitismus im deutschsprachigen Raum bis in die Gegenwart. Frau Jeroch zeigte auf, warum es bei der Brandenburger „Judensau“ nicht vorrangig darum ging, Stimmung unter der Bevölkerung gegen in der Stadt und Region lebende Juden zu schüren: Zum einen lebten nach allem, was bis heute bekannt ist, in der Mitte des 13. Jh. kaum Juden in diesem Teil Deutschlands, zum anderen ist die Plastik, anders als etwa in Wittenberg, nicht außen am Dom angebracht, sondern im Inneren des Kreuzgangs, der nur den Klerikern zugänglich war. Das Judentum wurde vielmehr theologisch als die überwundene Religion diffamiert. Es spreche zudem, so Jeroch, vieles dafür, in der Plastik eine Sündenallegorie zu sehen, bei der die Juden mit der Sünde gleichgesetzt werden. Es sollte die Geistlichen dazu anhalten, ein sündenfreies Leben zu führen. Frau Jeroch sowie der Leiter des Domschatzes, Dr. Uwe Czubatynski, wiesen aber daraufhin, dass es keinerlei Überlieferungen, etwa in Form von Urkunden, gebe, die Aufschluss über die mit der Anbringung der Plastik verfolgten Ziele geben können. Vollkommen unklar ist auch die Inschrift oberhalb der bildlichen Darstellung. Die Beauftragte für Erinnerungskultur und gegen Antisemitismus der EKBO, Pfarrerin Marion Gardei, verwies auf den Antisemitismus in der evangelischen Kirche bis in die Nazizeit und auf die sich daraus ergebende Verpflichtung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit antisemitischen Zeugnissen in und an Kirchen. In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion ging es auch darum, wie man mit dieser Schmähplastik, die ungeachtet der mit ihr verfolgten Absichten eindeutig antijudaistisch ist, in Zukunft umgehen sollte. Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama betonte, wie wichtig es sei, jede derartige Schmähplastik in ihrer Eigenart zu beurteilen. Hier sei der Ort ihrer Anbringung – im Kreuzgang, also außerhalb des liturgischen Raumes – von wesentlicher Bedeutung. Heute schließen sich an den Kreuzgang die Museumsräume des Domstifts unmittelbar an, der Pfeiler, an dem sich das Kapitell befinde, sei nahezu Teil des Museums. Folglich sei – anders als an vielen anderen Orten – mit einer Entfernung der Plastik und ihrer Aufstellung im Museum nichts gewonnen. Dem schlossen sich viele der Teilnehmenden der Veranstaltung an. Die Arbeitsgruppe, die sich mit dem weiteren Umgang mit der Plastik befasst, wird nunmehr konkrete Pläne zur Dokumentation, Präsentation und Publikation dieser Skulptur entwickeln und plant, diese im Laufe des Sommers zu präsentieren.
Dr. Cord-Georg Hasselmann, Kurator des Domstifts
Zuschriften zur antijudaistischen Schmähplastik am Brandenburger Dom können per Email an folgende Adresse gesendet werden: schmaehplastik@dom-brandenburg.de
Presse / Web:
Beitrag auf der Webseite der Landeskirche - EKBO
Jüdische Allgemeine 26.01.2022
Bild v.l.n.r.: Dr. Czubatynski, M. Gardei, Dr. Hasselmann, Rabbiner Prof. Nachama, Th. Jeroch
