Künstler am Dom 2023: Jacopo Dal Bello "Zeitfenster. Der Dom in der digitalen Gegenwart.

Als Stipendiat am Dom zu Brandenburg hat der aus Italien stammende, in London und Berlin ausgebildete Maler Jacopo Dal Bello (Jg.1989) KI gesteuerte Software eingesetzt, um die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichende Kulturgeschichte des Ortes mit unserer digitalen Gegenwart zu verschmelzen. Sowohl die aus Backstein errichtete mittelalterliche Sakralarchitektur, als auch deren Ausstattung und Archiv war für den Künstler Anlass einer Werkreihe, die während eines dreimonatigen Aufenthaltes im Sommer 2023 vor Ort entstand ist.

Dal Bellos Bilder bestehen aus zerteilten, von Hand neu zusammengengefügten Leinwänden. Auf diesen fragmentierten Untergründen notiert er Zeichen aus der digitalen und analogen Welt, die wie schwebend vor leerem Hintergrund erscheinen. Die Geste des Zerstörens und Zusammensetzens am Anfang seiner künstlerischen Arbeit, setzt sich im Verlauf auf inhaltlicher Ebene fort. Zahlen- und Zeichenreihen erscheinen, die aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten und Zeiten stammen. So sind zum Beispiel Zahlenkolonnen zu sehen, die im Kirchenraum den Klang des nächsten Kirchenliedes ankündigen. Oder Icons, die auf die Informationsfülle der Domstift-Homepage hinweisen. Dal Bello zitiert Graffitis, wie er sie auf einem Altarretabel des 14. Jahrhunderts im südlichen Seitenschiff gefunden hat. Die in den Goldgrund eingekratzten Buchstaben geben Zeugnis von einer langen Glaubenstradition, die Pilger aus aller Welt an diesen Ort geführt hat. Konkreter wird es, wenn der Künstler digital bearbeitete Fotoausschnitte der Domarchitektur auf der Leinwand wiedergibt. Etwa die barocke Kanzel im Hauptschiff, die er mithilfe jüngster KI-Technik optisch ins Fließen gebracht hat. Oder die Arkaden des Mittelschiffes, die er mit derselben 3 D-Technik auf dem Bildschirm räumlich so bearbeitet hat, dass die Architektur in Vogelperspektive erscheint. Mit einem Naturzitat aus dem Kreuzgangsgarten kombiniert entsteht eine syntaktische Dissonanz, die der Künstler durchgehend einsetzt. Überall lässt er die Dinge unverbunden im Raum stehen, so, als würde sie eine assoziativ-lockere Logik zusammenhalten. Dal Bello gelingt es damit unterschiedliche Zeit-, Raum- und Bildebenen spielerisch zu verdichten. Dabei führt er uns technisch die ganze Bandbreite bildhafter Möglichkeiten vor. Er greift zur Malerei, zu abgeklatschter Fotografie, zur Architekturzeichnung und farbig-skripturalen Zeichen, die er leicht wie auf einem Bildschirm auf seinen Leinwänden verteilt. So kreist er die Schnittstellen zwischen digitalen und analogen Wirklichkeiten ein und schaut dorthin wo es um Glauben, Wissen und Erinnern geht. So hält Dal Bello uns auf intelligente und sensible Weise den Spiegel einer veränderten Gegenwart vor.

Katja Blomberg - Kunsthistorikerin und Kuratorin der Ausstellung

Homepage Jacopo dal Bello

Resümee Residenz Brandenburger Dom